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Nach dem Erscheinen des unten genannten Buches wurde es in einigen Internetforen über den grünen Klee gelobt und zum Beispiel zur "besten Literatur über die allgemeine Haltung griechischer Landschildkröten" erklärt, was nur verständlich ist, wenn man ansonsten nur GU - Literatur kennt. Hier ist bei vielen etwas mehr Zurückhaltung angesagt, bevor ein Buch schon anhand seiner vorveröffentlichten Auszüge als "sensationell" bezeichnet wird. So sind vorschnelle Bewertungen anhand von Leseproben und Überschriften wenig hilfreich. Da dies zum Teil wohl auch in Unkenntnis der ansonsten erschienenen Bücher zum Thema und der Euphorie, dass es endlich wieder ein neues Buch zum Thema Landschildkröten gibt, geschah, waren die überwiegenden Reaktionen entsprechend überzogen und wenig konkret oder wurden schon geäußert, bevor das Buch gelesen worden ist. Auf derlei Schnellschuss-Belobigung kann wohl auch ein Autor verzichten. Deshalb habe ich mich entschlossen, meine Bewertung zu diesem Buch zu schreiben:

Die Bewertung stellt ausschließlich meine persönliche Meinung dar.

Wolfgang Wegehaupt : Die natürliche Haltung und Zucht der Griechischen Landschildkröten

Schnell erkennt man, dass der Autor selbst Praktiker ist, was sich bei den konkreten Haltungstipps zeigt und sicherlich auch den Nutzen des Buches ausmacht.
Das Buch ist reich bebildert und grundsätzlich gut gegliedert und in einem ansprechenden Format aufgelegt. Negativ fällt ins Auge, dass zu etlichen Bildern die Bildunterschriften fehlen oder recht ungenau sind. Die Auswahl der Überschriften ist nicht konsequent sachlich durchgehalten worden, Abschnitte mit Überschriften wie "Der verhältnismäßig kleine Kopf" oder "Ein sehr gutes Gedächtnis" muten ein wenig merkwürdig an, wie die Abschnittsunterteilung teilweise auch. Ein Literatur- und Bilderverzeichnis fehlen ganz. Insgesamt wirkt das Buch stilistisch ein wenig zu bodenständig, manchmal verwirrend und widersprüchlich, denn "allgemein verständliche Art und Weise [..]" heißt nicht ungenau.
Vielleicht hätte der Autor sein Buch eher "Die natürliche Haltung und Zucht der westlichen Unterart der Griechischen Landschildkröte Testudo hermanni hermanni" nennen sollen, denn darum geht es eigentlich in seinem Buch. Zwar wird auch teilweise auf die "Ostrasse" (besser: östliche Unterart) eingegangen und die Erkenntnisse sind größtenteils auch übertragbar, es wird aber schnell klar, dass der Schwerpunkt Autors auf der Haltung von Testudo hermanni hermanni liegt. Gleichzeitig im Rundumschlag die Kernaussagen auf alle europäischen Arten zu beziehen ist unangebracht und viel zu allgemein, da insbesondere die Ansprüche von Testudo (Agrionemys) horsfieldii und einigen Unterarten von Testudo graeca erheblich von denen der griechischen Landschildkröte abweichen.

Inhaltlich ist zu sagen, dass das Kapitel zum Freigehege des Autors, das vorbildlich gestaltet und bepflanzt ist, gut gelungen ist.
In der Beschreibung seines Geheges und seines "Schildkrötenhauses" zeigt sich seine Haltungserfahrung anhand einer gut konzeptionierten und pragmatischen Anlage. Die ausführlichen Beschreibungen und Tipps zum Freilandgehege sind meiner Meinung nach am besten gelungen.
Sehr gut ist das Kapitel bezüglich des Schutzes vor Diebstahl, was in anderen Bücher oft zu kurz kommt oder gar nicht erwähnt wird, was auch für den Abschnitt über die Fotodokumentation gilt. Ebenfalls recht gut gelungen und ausführlich ist das Kapitel über den Körperbau der Schildkröte, wie auch die Anmerkungen zur Gefährdung der Tiere im natürlichen Habitat durch Räuber und den Menschen.

Leider weist das Buch auch einige Mängel auf, auf eine Auswahl davon möchte ich nun näher eingehen :

Im Kapitel "Anschaffung" stellt der Auto ein Bild von Bastarden ein (S.31), die angeblich von griechischen, maurischen und Breitrandschildkröten stammen und warnt vor dem Kauf von Bastarden, leider tut er dem geneigten Leser nicht kund, woran er solche erkennen kann.

Im Kapitel zur Beschreibung der Arten unterschlägt der Autor komplett den aktuellen Stand der Arten- und Unterarteneinteilung bei der griechischen Landschildkröte und mahnt zu Recht an möglichst nur unterartgleiche bzw. herkunftsgleiche Tiere zu verpaaren, bleibt aber Bestimmungsschlüssel für Unterarten und Lokalformen oder aber Literaturhinweise zu diesem Themenkomplex, vollkommen schuldig.

Auch im Kapitel des "natürlichen Lebensraums" fallen Fehler auf, die bei neustem Stand dem Autor eigentlich bekannt sein müssten: So ist Testudo hermanni hermanni längst nicht mehr "vom östlichen Spanien über Südfrankreich bis Mittelitalien[..]" verbreitet, sondern in Frankreich allenfalls noch als kleine Inselpopulation im Massif des Maures vorhanden, welche diesen Sommer mit viel Pech ganz ausgelöscht wurde. Auch sind wohl keine THB- Vorkommen aus Ungarn bekannt. Eine Auseinandersetzung mit aktuellen Verbreitungsangaben hätte hier wohl gut getan. Darüber hinaus weist dieses Kapitel zwar viele gute Biotopfotos auf, leider bleiben einige ganz unkommentiert (S.71ff).

Im Kapitel zum Freilandgehege wären mehr Fotos von Futterpflanzen wünschenswert gewesen, anstatt 6 mal Löwenzahn im Freigehege zu zeigen (S.104). (Ob Schildkröten in ihrem natürlichen Lebensraum auf Kalksplitt leben, darf, gerade angesichts der eigenen Biotopfotos des Autors stark bezweifelt werden.).

Darüber hinaus schwört der Autor auf seine selbstgetrockneten Kräuter, erwähnt die seit geraumer Zeit erhältlichen Heupellets nur kurz in einem Satz, sie stellen jedoch bezüglich der gesunden Schildkrötenernährung einen wichtigen Fortschritt dar, denn endlich ist es möglich optimales Schildkrötenfutter käuflich zu erwerben. Damit dürfte sich mittelfristig die Ernährungssituation der meisten Landschildkröten deutlich verbessern lassen, da der Aufwand der Futterbeschaffung gleich Null ist. Nicht jeder hat eben Zeit und "Wiese" sich entsprechende Vorräte selbst anzulegen.

Im durchaus interessanten Kapitel "Wachstum und Gewicht" verschweigt der Autor uns leider die Herkunft sein hochinteressanten Daten über die Gewichts- und Längenentwicklung von THH.

Auch bei den Unterscheidungsmerkmalen zu anderen Arten wird dies deutlich, da der Autor immer noch das geteilte Schwanzschild als Artmerkmal von Testudo hermanni erwähnt wird, obwohl inzwischen klar ist, dass viele Tiere auch ein ungeteiltes Schwanzschild haben. (S.55)

Das fehlende Literaturverzeichnis, bedeutet wohl, dass der Autor keinerlei neuere Erkenntnisse anderer Publikationen hat in sein Buch einfließen lassen. Das ist bedauerlich und an vielen Stellen ist das zu merken, da der Autor sich mit Allgemeinplätzen zufrieden gibt und auch nicht auf dem neusten Stand zu sein schein, was die Erkenntnisse anderer angeht, das hätte dem Buch jedoch ganz gut getan.
Beispiel dafür ist die Aussage, dass fast nur männliche Nachzuchten im Umlauf sind, da lange Zeit falsche Scheiteltemperaturen bzgl. der Geschlechtsfixierung publiziert wurden.
Diese Aussage wäre vor 5 Jahren sicherlich zutreffend gewesen, inzwischen sind die richtigen Werte aber hinlänglich bekannt.
Mit einigen Begriffen verfährt der Autor recht willkürlich und ungenau, genannt sie hier die Unterscheidung von Zucht und Vermehrung. Einige Aussagen des Autors muten darüber hinaus äußerst skurril an, so wie die Behauptung, dass einzeln gehaltene Schildkröten verhaltensgestört sind und vor sich hinsiechen, Beweise dafür bleibt der Autor schuldig, ebenso wie für die Behauptung, dass gesunde Weibchen Gelege mit 100% Schlupfquote absetzen.
Dass die Konditionierung der Tiere maßgeblich Einfluss auf die Schlupfraten hat, ist unbestritten, doch dies als ausschließlich zu sehen, greift zu kurz. Gleiches gilt für die unbewiesene Behauptung, dass Schilderanomalien nicht vererbbar seien, dass der Autor selbst sie in der Natur noch nicht gesehen hat, ändert nichts, daran, dass es sie auch dort gibt. (S.173f)

Fazit:
Dem hohen eigenen Anspruch, den "neusten Stand dieser Kenntnisse" bezüglich der Haltung griechischer Landschildkröten zu vermitteln, wird der Autor nicht gerecht. Diese Aussage mag für seinen persönlichen Kenntnisstand gelten, offensichtlich hat er aber aktuelle Publikationen und Erkenntnisse anderer Autoren, wie z.B. die Neuordnung von Arten und Unterarten und den Einsatz von Heupellets, ignoriert. Das vorliegende Buch dürfte insbesondere den fortgeschrittenen Halter enttäuschen, der den Autor am eigenen Anspruch misst. Was den rein praktischen Teils zur konkreten Haltung betrifft, so ist das Buch ansonsten recht solide gemacht und als Anfängerbuch eingeschränkt zu empfehlen.
Allerdings sehe ich keinen Grund, den dreifachen Preis gegenüber z.B. dem Zirgibl-Buch für ein Anfängerbuch auszugeben. Für Fortgeschrittene ist der Gehalt nur mäßig, also wenn dann eher was für die Sammlung.

Bewertung: **********

Das Buch:

Format DIN A5, 224 Seiten, 256 Farbbilder, 4 Diagramme, 1 Tabelle,
Preis: 36 Euro

Wolfgang Wegehaupt: "Die natürliche Haltung und Zucht der Griechischen Landschildkröten"
ist im Eigenverlag erschienen und nur direkt über den Autor zu beziehen unter:

www.testudo-farm.de

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